Presse

Der Blau Kurfürst

in roten Zahlen

 
Musiktheater für Klein und Groß voller Dramatik und Humor

Was für ein Stück, was für Musik: Wer den „Blauen Kurfürsten in roten Zahlen“ erlebt hat, der hat eine barocke Huldigungsoper gesehen und gehört – und zugleich deren Gegenteil. Der „Blaue Kurfürst“, das ist großes Musiktheater, bei dem kaum gesungen wird: gescheit und humorvoll ist das, dramatisch, kritisch und anrührend – und das alles im Handpuppenformat. Eine vergnügliche Alte-Musik-Verführung für Kinder und Erwachsene obendrein. Am Samstag war die Produktion der „Puppet Players“ aus Gauting und des Münchner Alte-Musik-Ensembles „Stylus Phantasticus“ bei den Ansbacher Puppenspielen in der Karlshalle zu Gast.

Man hat im „Blauen Kurfürsten“, in diesen sieben Lebensstationen eines absolutistischen Regenten, so etwas wie theatrale Essenzen beieinander, lauter bühnenwirksame Ur-Elemente. Die reichen von Liebe über Geburt und Jugend bis hin zu Kampf, Andacht und Tod. Und auch die Komik kommt nicht zu kurz. Bei einem Stück über den kurfürsten Max Emanuel könnte leicht eine untertänige Ergebenheitsadresse und Regenten-Verklärung daraus werden. Nicht so hier.

Susanne Forster hat mit Hartmut Riederer einen exakt ausbalancierten Text verfasst. Der zeigt den Kurfürsten in seiner Pracht und Größe, aber auch in seiner Selbstverliebtheit und schuldenmacherischen Maßlosigkeit. Hübsch frech ist, wie gegen Ende aus dem imposanten Herrscher und Parade-Bayern auf einmal ein nacktes, altes Männlein in der Badewanne geworden ist. Tatsächlich, der Kurfürst sitzt splitterfasernackt im Bade – er ist halt auch nur ein Mensch. Sympathisch macht ihn schon vorher seine Leidenschaft für die Musik im Allgemeinen und für die Viola da Gamba im Besonderen.

Die Raffinesse und Hintergründigkeit dieses Barockbilderbogens liegen in der scheinbaren Einfachheit. Die operiert mit Gegensätzen, so wie es für das Denken jener Zeit typisch ist. Am tiefsten, drastischsten und ironischsten kommt das im Jagdbild heraus: Keine Tier zu sehen. Max Emanuel hat nichts zu jagen, also lässt er sich die Gambe reichen und musiziert zum Zeitvertreib. So schön tut er das, dass erst eine vorwitzige Maus vorbeischaut, dann zwei Hasen, ein Rabe (im Puppenspiel, Zeichentrick und Comic haben Raben komischerweise immer gelbe statt schwarze Schnäbel), dann stößt noch ein Hirsch hinzu und schließlich ein Bär. Sie alle horchen selig zu und wiegen sich im Takt.

Mensch und Tier paradiesisch vereint durch die Musik – ein utopisches Bild ist das, spielerisch leicht und doch bedeutungsschwer. Es greift bis zum Orpheus-Mythos zurück, und auch der Tamino der „Zauberflöte“ ist nicht fern. Aber gar so veredelnd, zivilisierend ist die Kraft der Musik hier nicht. Schnell packt die alte Jagdlust den Kurfürsten wieder und er seinen Speer. Aber immerhin: Erwischen tut er nichts mehr. Nur ein armes Hausschwein spießt er auf nach einigem Hin und Her.

Sogar das Schlussbild, so flüchtig es ist, trägt noch barockes Lebensgefühl in sich. Oben auf einer Wolke schaut Max Emanuel auf sein Leben zurück. Als letztes tritt die Gambe auf, verbeugt sich, und der Rabe fliegt herein. Das ist possierlich anzuschauen, weil Stefan Ficherts Ausstattung aufs Erste possierlich scheint, und doch kann man die Gambe und den Raben als ein Sinnbild nehmen, etwa dafür, wie nahe sich Schönheit und Tod sind. Die Puppenspieler Susanne Forster und Stefan Fichert, Musiktheaterexperten ihrer Zunft, spielen die Geschichte quicklebendig und mit versöhnlichem Humor. Konrad Wipp als Erzähler ist ein sonorer Rezitator von Gnaden. Ja, und die Musiker spielen ohnehin zum Niederknien. Robert Schröter spielt das Cembalo, Axel Wolf die Laute und Barockgitarre und allen voran Friederike Heumann die Gambe. Heumanns Musikauswahl befeuert das Spiel, schlägt dramatische Funken vorwiegend aus französischen Noten der Epoche. Wie fröhlich, wie ausgelassen, wie bedrohlich und wie traurig die Gambe doch klingen kann. Und wie überraschend: Wer hätte gedacht, dass der Bayerische Defiliermarsch – Adolf Scherzer, ein Franke, hat ihn komponiert – auf einmal Witz und Verve hat. Geht nicht? Doch. Eine Gambe macht’s möglich.
— Fränkische Landeszeitung (Thomas Wirth, 3.11.2008)
Nach der Premiere im „Vierschimmelsaal“ der Münchner Residenz und im „Bosco“ in Gauting:

…ein barockes Spektakel nicht nur für Kinder. Vieles war anders im 17. Jahrhundert: es gab noch Prinzen und Prinzessinnen, die wirklich regierten, das Befehlen musste gelernt werden, das Cello hatte noch keinen Stachel und seine Schwester, die Gambe, hatte sieben Saiten. Vieles war aber auch ähnlich wie heute: Regierungsverantwortliche überzogen die Staatskassen und machten Schulden, und kleine Buben waren frech wie Oskar. Oder sollte man sagen: wie Max Emanuel? … es war eine Lebensgeschichte in mehreren Stationen. Am Anfang standen die märchenhaften Zauberworte „Es war einmal“ und die von seinen Eltern sehnsüchtig erwartete Geburt des kleinen Prinzen Max Emanuel. Der Lateinlehrer, der mit den Worten „ubi est puer“ erschien und die ihn im Spiel auf der Gambe unterrichtende Mutter markieren die Kindheit, zu der auch das sonntägliche Orgelspiel in der Kirche zählte. Später folgen die kämpferischen Jahre des Kurfürsten im Krieg gegen die Türken und seine Bautätigkeit. Für alles finden die Puppet Players zauberhafte Bilder…
— Süddeutsche Zeitung (8.11.2007)
…Die Zuschauer waren begeistert von der neuen Inszenierung der Puppet Players – durften sie doch eine gute Stunde lachen, mitfühlen und staunen…
Bevor sich der Vorhang hob, ließ das Ensemble Stylus mit der Ouvertüre die Klänge, Nuancen und Stimmungen der Barockmusik lebendig werden… Dann begann das barocke Spektakel wie alle Märchen. „Es waren einmal ein Prinz und eine Prinzessin“, sprach Konrad Wipp mit sonorer Stimme. Er war lebendiger Erzähler, findiger Mitspieler und kurzweiliger Erklärer zugleich… Ideenreich sind alle Szenen, spannend und lustig die Dialoge und wunderschön die Figuren…
— Münchner Merkur (8.11.2007